Vor der Sporthalle des TV-Sindlingen hat sich eine Menschenschlange gebildet. Zum ersten Mal seit zwei Jahren veranstaltet der Verein wieder eine Jahreshauptversammlung. Rund 60 Mitglieder sind der Einladung des Vorstandes gefolgt. Auch Annette Pfeiffer und Conny Ehret stehen in der Schlange. Geduldig warten sie darauf, an Klaus Mettin vorbei in die große Trainingshalle zu kommen, in der die Sitzung in diesem Jahr auf Grund der hohen Teilnehmerzahl stattfindet. Mit einem kleinen Tisch und einem Stuhl hat sich Mettin am Eingang aufgestellt und kontrolliert den Impfstatus der Mitglieder. Obwohl die Pandemie noch immer deutlich spürbar ist, sind Pfeiffer und Ehret froh, dass mit der heutigen Sitzung wieder ein wenig Normalität ins Vereinsleben einkehrt. „Das wird bestimmt ein langer Abend“, prophezeit Pfeiffer.
Die Tagesordnung ist lang. In den letzten zwei Jahren ist viel passiert: Das neue Gebäude neben der Sporthalle wurde fertiggebaut, neue Sportabteilungen wurden gegründet und die gesamte Sportanlage des Vereins wurde in ein neues digitales Zeitalter geführt. Turnverein 4.0 – mit Lautsprechern, Kameras und einem neuen IT-System, das für mehr Sicherheit und Überblick bei der Raumbelegung sorgt. „Da könnte sich so manch eine Verwaltungsstelle der Stadt Frankfurt noch etwas abgucken“, lobt Roland Frischkorn, Vorsitzender des Sportkreis Frankfurt.
Er hatte es sich nicht nehmen lassen, gemeinsam mit dem Ehrenpräsidenten des hessischen Turnverbandes Rolf Dieter Beinhoff persönlich an der Sitzung teilzunehmen, um die Arbeit von zwei ganz besonderen Mitgliedern zu würdigen: 37 Jahre hat Ingrid Sittig das Eltern-Kind-Turnen im Verein geleitet, eine Walking-Gruppe gegründet, die Räume des Turnerheims verwaltet, Kinderfreizeiten betreut und sich durch viele weitere ehrenamtliche Tätigkeiten in Sindlingen eingebracht. Für diese außergewöhnliche Leistung erhält sie von Beinhoff nicht nur die goldenen Ehrennadel des hessischen Turnverbandes, sondern auch die Ehrennadel des Landessportbundes. Mit ihrer Auszeichnung hat Ingrid Sittig an diesem Abend nicht gerechnet. Sichtlich überrascht geht sie nach vorne, als Beinhoff sie aufruft und nimmt die Verdienstnadeln entgegen. Auch Monika Winter, die gemeinsam mit Ingrid Sittig über 30 Jahre das Eltern-Kind-Turnen geleitet und das Vereinsleben in Sindlingen maßgeblich mitgestaltet, erhält eine Ehrennadel des Landessportbundes.
In Zukunft werden Christine und Alexander Schmitt die Übungsleitung der Turnstunde übernehmen. „Es war einfach Zeit das Zepter aus der Hand zu geben und ich freue mich, dass ich jetzt auch wieder mehr Zeit für meine Enkel habe“, sagt Ingrid Sittig.
Die Arbeit der Ehrenamtlichen sei insbesondere in Zeiten der Pandemie für Frankfurt besonders wichtig, betont Roland Frischkorn in seiner Rede und lobt die Arbeit des TVS. „In diesen schweren Zeiten hat der Verein sich immer um den Zusammenhalt und die Gesundheit der Bürger bemüht“ sagt er. Mit Online-Angeboten und Aktionen, wie Weihnachtspaketen für die Senioren, habe der Verein auch während der Pandemie den Kontakt zu den Mitgliedern aufrechterhalten. Mit Erfolg. Denn obwohl der Sportbetrieb größtenteils eingestellt wurde, gibt es bei den Mitgliederzahlen kaum Rückgang. Knapp 1100 Mitglieder hat der Verein heute. Auf sie warten im neuen Jahr einige neue Angebote. Beispielsweise Discgolfen, Langhantel-Training und sogar Krebssport, der das Angebot der Reha-Gruppen erweitern wird. Dabei setzt der TVS auch immer mehr auf die Kooperation mit anderen Vereinen, um neue Angebote zu schaffen und das Vereinsleben in Sindlingen und dem Frankfurter Westen zu stärken.
Nach den Berichten der einzelnen Abteilungen, stehen bei der diesjährigen Versammlung des TVS auch Neuwahlen auf der Tagesordnung. Durch die Pandemie konnte vier Jahre kein neuer Vorstand gewählt werden. Umso mehr freut sich Michael Sittig, als er erneut einstimmig als Vorsitzender von den Mitgliedern bestätigt wird. „Vielen Dank für euer Vertrauen. Ich nehme die Wahl selbstverständlich an. Muss allerdings gleich dazu sagen, dass es aus gesundheitlichen Gründen das letzte Mal sein wird, dass ich als Vorsitzender antrete“, sagt Sittig sichtlich berührt. Die Dankbarkeit für seine bisherige Arbeit ist bei den Mitgliedern deutlich zu spüren. Mit lautem Applaus feiern sie ihren Vorsitzenden, der in den letzten Jahren viel im Sindlinger Verein bewegt hat. „Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, wie der TVS ohne ihn läuft“, sagt Renate Ahlers-Zimmermann, die ebenfalls bei den Neuwahlen in ihrem Amt als Schriftführerin bestätigt wird.
Mit Ralf Henkelmann zieht in diesem Jahr ein neues Gesicht in den Sindlinger Sportverein ein. Er löst in diesem Jahr Hagen Herrmann als zweiten Vorsitzenden ab. „Ich war gestern schon einmal in der Geschäftsstelle und habe etwas kopiert und getackert“, witzelt er, nach seiner Wahl. Den dritten Vorsitz übernimmt ab sofort Alexander Stollberg. Er leitet auch die Badminton-Abteilung des Vereins.
Nach knapp zwei Stunden ist die Jahreshauptversammlung vorbei. Für die kommenden zwei Jahre hat Michael Sittig noch viel Arbeit vor sich. Der Außenbereich der Sportanlagen soll erneuert werden und ein Nachfolger für den Vorsitz muss gefunden werden: „Eins ist klar – ohne die Mitglieder und die Ehrenamtlichen geht es nicht. Deshalb bin ich dankbar, dass so viele Mitglieder uns ihre Treue gehalten haben. Ich denke, wir können positiv in die Zukunft blicken“, sagt er.
Greta Zimmermann